Silvio Gesell
Silvio Gesell war zunächst als kaufmännischer Angestellter tätig, siedelte dann nach Argentinien über und eröffnete 1887 in Buenos Aires ein Geschäft für zahnärztliche Artikel. Die dortige Finanzkrise veranlasste ihn ab 1890 zu privaten volkswirtschaftlichen Studien und empirischen Beobachtungen des Verlaufs von Inflation und Deflation.
Zug um Zug entwickelte er als Autodidakt seine monetäre Krisentheorie: Währungsstabilität lasse sich nur durch die Anpassung der zirkulierenden Geldmenge an das Warenangebot erreichen. Eine derartige Anpassung setze aber voraus, dass das Geld beständig „rollt“. Geldhortung führe zur krisenhaften Hemmung des Warenaustausches und biete überdies die Möglichkeit, Zins zu „erpressen“, also leistungsloses Einkommen zu erzielen; dadurch erst erhalte die Warenzirkulation ihren kapitalistischen, nämlich unsozialen und ausbeuterischen Charakter.
Später befasste er sich auch mit der Bodenfrage und ergänzte seine Krisentheorie: Krisen seien Ausdruck gestörter Tauschbeziehungen, die Disproportionalitäten beruhten auf dem Besitz von (Zinsen bringendem) Geld und von Boden. Die Prophylaxe lautete folglich: Vergesellschaftung des Bodens und Nutzung auf dem Wege der Erbpacht („Freiland“); Beseitigung der Eigenschaft des Geldes, Zinsen zu tragen („Freigeld“). 1916 erschien das Hauptwerk Silvio Gesells, die „Natürliche Wirtschaftsordnung durch Freiland und Freigeld“ (NWO). 1919 wirkte Gesell zehn Tage lang als Volksbeauftragter für Finanzen der Bayerischen Räteregierung.