Unter Wettrüsten oder Rüstungswettlauf versteht man die etappenweise erfolgende militärische Aufrüstung sich antagonistisch gegenüberstehender Staaten oder Bündnisse. Es handelt sich um einen Teilprozess der Rüstungsdynamik. Bekannte Rüstungswettläufe fanden zwischen dem Deutschen Reich und der Triple Entente (vgl. auch: Deutsch-Britisches Flottenwettrüsten) vor dem Ersten Weltkrieg und zwischen den beiden westlichen und östlichen Machtblöcken im Kalten Krieg statt.
Das Deutsch-Britische Wettrüsten zur See bezeichnet den Rüstungswettlauf zwischen der deutschen Kaiserlichen Marine und der britischen Royal Navy vor dem Ersten Weltkrieg. Obwohl es keine unmittelbare Ursache des britischen Kriegseintritts 1914 war, bildete es ein wesentliches Moment beim Aufkommen eines deutsch-britischen Antagonismus im Vorfeld des Krieges.
In den Jahrhunderten vor der Deutschen Reichsgründung 1871 waren die Kriegsflotten deutscher Staaten (z. B. Preußische Marine), wenn sie überhaupt über solche verfügten, im Vergleich zu jenen der großen Seemächte (z. B. Großbritannien, Frankreich) unbedeutend. Durch den stark zunehmenden deutschen Überseehandel und den Erwerb überseeischer Kolonien nach 1880 wuchs das Bedürfnis nach konkurrenzfähigen deutschen Seestreitkräften. Doch erst nach Amtsantritt von Kaiser Wilhelm II. ging die Zielrichtung des Flottenbaus über Küstenschutz und Sicherung von Handelswegen hinaus.
Mit dem britischen Rüstungsprogramm von 1909 war das Wettrüsten faktisch entschieden. Deutschland konnte angesichts von acht Neubauten nicht mehr das für die Risikoflotte angestrebte Kräfteverhältnis von 2/3 der Briten erreichen und auch die britische Vormachtstellung nie ernsthaft gefährden. Das Kräfteverhältnis in der Skagerrakschlacht (1916) – sie gilt als die größte konventionelle Seeschlacht – zeigte dies deutlich. Die deutsche Flotte konnte im Ersten Weltkrieg mit ihren Kräften die britische Seeblockade nicht brechen, was entscheidend zur Niederlage Deutschlands und der Mittelmächte beitrug.
Bald nach Ende des Zweiten Weltkriegs begann im Zeichen des „Kalten Kriegs“, der Systemkonfrontation zwischen West und Ost, ein Wettrüsten zwischen den Vereinigten Staaten und der 1949 gegründeten NATO auf der einen und der Sowjetunion und dem Ostblock auf der anderen Seite, das bis zur Selbstauflösung des Warschauer Pakts Anfang der 1990er Jahre anhielt. Das Wettrüsten beziehungsweise die Rüstungsspirale wurde üblicherweise damit gerechtfertigt, dass die eigene Seite jeweils weiter aufrüsten müsse, da die andere Seite dies auch tue und eine Überlegenheit anstrebe. Ronald Reagan betrieb das Wettrüsten mit dem erklärten Ziel, den kommunistischen Block wirtschaftlich in die Knie zu zwingen. Der Zerfall der Sowjetunion beendete 1991 den Kalten Krieg, damit endete auch das Wettrüsten zwischen NATO und Warschauer Pakt beziehungsweise den USA und der UdSSR.
Der Kalte Krieg war die Hochphase eines Weltkonflikts, der 1917 mit der russischen Oktoberrevolution unter Lenins Führung begann, den Russischen Bürgerkrieg nach sich zog, an dem westliche Kräfte auf gegenrevolutionärer Seite teilnahmen, und der sich in den 1920er und 1930er Jahren durch den Revolutionsexport der Kommunistischen Internationale fortgesetzt hatte. Die Anti-Hitler-Koalition seit 1941 überdeckte den Konflikt zeitweise. In der Nachkriegszeit traten die unterschiedlichen Ziele und Interessen der Supermächte bei der Neuordnung der Welt hervor und führten zur Teilung Europas in zwei feindliche Machtblöcke mit zugehörigen Militärbündnissen: der NATO und den Staaten des Warschauer Paktes. Deren Ausdehnung entsprach weitgehend der militärischen Präsenz der US-Truppen und der Roten Armee 1945. In Südostasien schufen die USA mit der Southeast Asia Treaty Organization ein ähnliches Bündnis (gegründet 8. September 1954, aufgelöst 1977), was die Sowjetunion als Provokation sah.
Als Ausgangspunkt des Kalten Krieges gilt die Verkündigung der sogenannten Truman-Doktrin durch US-Präsident Harry S. Truman am 12. März 1947 und der daraus entstehenden Zwei-Lager-Theorie. Deren Hintergrund bildete die Irankrise: In den Jahren 1945 und 1946 versuchte die Sowjetunion, die von Kurden und Aserbaidschanern bewohnten Provinzen Irans abzuspalten, um dort prosowjetische Staaten zu etablieren. Josef Stalin plante, auch in Teheran eine kommunistische Regierung zu installieren. Truman drohte im Frühjahr 1946 Stalin mit ernsthaften Konsequenzen bis hin zum Einsatz von Atomwaffen, wenn er seine Truppen nicht aus dem Iran abzöge. Für Truman stand außer Frage, dass die Kontrolle des iranischen Öls durch die Sowjetunion zu einer Verschiebung des Machtgleichgewichts in der Welt führen würde und die aufstrebende westliche Wirtschaft massiv beschädigen könnte.
Die Supermächte vermieden den offenen Krieg mit Waffeneinsatz gegeneinander, betrieben aber seit den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki ein beispielloses, auch atomares Wettrüsten. Die wechselseitige Androhung des Atomkrieges unter dem Begriff „Abschreckung“ beschwor erstmals die mögliche Selbstauslöschung der Menschheit („Overkill“) herauf. Der Interessenkonflikt drohte mehrmals militärisch zu eskalieren: in der Berlin-Blockade 1948, während des Koreakriegs 1950, beim Mauerbau in Berlin 1961 und besonders während der Kubakrise 1962.
Nach der Kubakrise regulierten die USA und die UdSSR den Konflikt durch Krisendialog und bilaterale Rüstungskontrolle, setzten aber das Wettrüsten und den Kampf um Einflusszonen unvermindert auch militärisch fort. So waren die USA im Vietnamkrieg, die Sowjetunion bei ihrer Intervention in Afghanistan mit eigenen Truppen direkt beteiligt, während der Rivale die Gegenseite mit Geld, Waffen, Logistik und Informationen unterstützte. Zudem unterstützten beide Supermächte zahlreiche Bürgerkriege und bewaffnete Konflikte in Afrika, Mittel- und Südamerika, wahlweise Rebellengruppen gegen ihnen nicht genehme Regierungen oder umgekehrt.
Zudem fanden, oft in weniger entwickelten Ländern, sogenannte Stellvertreterkriege oder „geheime Kriege“ statt: So unterstützte die Reagan-Regierung in den 1980er Jahren gegen den Willen des US-Kongresses illegal den Krieg der Contra-Rebellen gegen die linksgerichtete Regierung der Sandinisten in Nicaragua. Im Angolanischen Bürgerkrieg standen sich von den USA, Kuba und der Sowjetunion unterstützte Gruppen gegenüber. Über befreundete Dienste förderte die CIA den afghanischen Widerstand. Vor allem in den 1970er und 1980er Jahren unterstützten die USA zahlreiche rechtsgerichtete Militärdiktaturen in Südamerika – denen sie mit der US-Intervention in Chile an die Macht geholfen hatten und deren Gegner diese in einem sogenannten schmutzigen Krieg auch verschwinden ließen. Dabei bildete das US-Militär auch Todesschwadronen in Lateinamerika und anderen Ländern aus und schulte diese unter anderem in physisch nicht nachweisbaren Foltermethoden. Als Beispiel für die Auswirkungen dieser Politik gilt El Salvador, wo die US-gestützte Militärdiktatur Anfang der 1980er Jahre etwa 40.000 Oppositionelle ermordete,rund 0,8 % der Bevölkerung.
Griechenland und die Türkei sind seit Jahrzehnten in einen kostspieligen Rüstungswettlauf verstrickt, in dem sich vor allem Griechenland immer neue Schulden aufbürdet. Griechenland gab jährlich 3 bis 6,4 % seines Bruttosozialprodukts für Rüstung aus,[4] die Türkei über 5 %, zum Vergleich Deutschland 1,5 %, die Schweiz 1 %, Österreich 0,9 %. Auch die griechische Finanzkrise führte bis Ende 2011 weder zu einer Verkleinerung der Armee (bislang etwa 130.000 Mann) noch zu Abrüstungsmaßnahmen bei militärischem Gerät und die „Wunschliste“ blieb bestehen. China liegt mit mehreren Nachbarn im Streit über Territorialansprüche und Rohstoffvorkommen in Seegebieten. China hat seine Rüstungsausgaben massiv erhöht, speziell in den Jahren 2009 und 2010. Die Finanz- und Wirtschaftskrise der Jahre 2008 und 2009 hat den Machtanspruch der Vereinigten Staaten erschüttert; China dagegen ist aus der Krise gestärkt hervorgegangen.
Das SIPRI veröffentlichte 2013 statistische Daten für den Zeitraum 2008 bis 2012. 74 % von Chinas Waffenlieferungen gingen an Länder in Asien und Ozeanien. 55 % von Chinas Waffenexporten gingen an Pakistan. China unterstützt Pakistan im Wettrüsten mit dessen Nachbarn Indien. Zwischen den beiden Ländern gibt es Spannungen (siehe Kaschmir-Konflikt), seit sie im August 1947 aus Britisch-Indien hervorgingen (Teilung Indiens). Neben wirtschaftlichen verfolgen die Chinesen auch handfeste strategische Interessen in Pakistan.